G ut, viele der Reissues, die w ir m achen,
w erden von Leuten gehört, die m it dieser
M usik aufw uchsen. U nd die w ollen sie in
der A rt hören, wie sie es von ihrer alten
P latte gew ohnt w aren. D eshalb än d ern
wir den Klang nicht zu sehr. A ufgrund des
besseren E quipm ents erhalten w ir oh n e-
h in von der b ek annten Basis eine höhere
Q ualität. Das Resultat soll aber dasselbe
Feeling ausstrahlen.
I
W as geschähe e tw a im F alle von „ H otel
C a lifo rn ia “ d er Eagles, w o ein st d ie f a l-
sche A u fstellu n g d e r A b h ö rm o n ito re zu
schw achen H öh en u n d ein em in sgesam t
gedeckten K la n g fü h rten ?
Selbst solche offensichtlichen M akel w ür-
den wir n icht allzu sehr ändern. Die sind
doch längst Teil des G esam tkunstw erks.
D er T o n in g en ieu r d er Eagles, m it
dem ich zusam m enarbeite, h aut m ir
zuw eilen au f die Finger, w enn ich
die alten Fehler begradigen will und
argum entiere: „Es w ürde klasse klin-
gen, hier und d o rt ein bisschen Luft,
etwas G litzern einzufügen.“ „N ein“,
heißt es d an n m eist, „wir w ollen es
so fett u n d bassbetont.“ Okay! W ir
haben das m eiste aus dem U 2-K a-
talog n eu gem astert. Für eine lange
Zeit w ar die U 2-Philosophie, dass sie
ihren Klang richtig schlecht wollten.
„G rungy sound!“ W ir gaben uns die
größte M ühe, das Beste aus den Bän-
dern zu holen, u n d die Blogger fan-
den es toll, weil sie plötzlich D inge
hörten, die zuvor einfach abgesoffen
w aren. A ber ich w eiß nicht, was U 2
selbst davon hielten (schlägt sich vor
V ergnügen auf die Schenkel).
I
M a c h e n U m sc h n itte vo n D ig ita l-F i-
les a u f V in yl Sinn? D ie A n a lo g p u risten
rü m pfen d a d ie N ase.
Ach was, schon was du runterlädst, klingt
durch Zwischenspeicherung und den W eg
durchs N etz plus vieler anderer Einflüsse
aufgrund von Schnittstellen, K abeln und
m anch anderem ja nicht m ehr wie das, was
wir angeliefert haben. W enn wir eine Platte
m achen, haben w ir das O riginal-H och-
bit-File, von dem wir in aller Regel ohne
weitere Beeinflussung die Lackfolie schnei-
den. U n d die kan n v erd am m t dicht am
File sein, w äh ren d m a n p e r D ow nload
durch die genannten Flaschenhälse u n d
Z w ischenschritte w om öglich V erluste
hat. A ber was die Leute am V inylklang
schätzen, en tsteh t o h n eh in w esentlich
durch den Prozess der Schallplattenher-
stellung und -abtastung. U n d da spielt es
keine Rolle, ob die Vorlage analog oder auf
höherem N iveau digital war. Die Scheibe
m ag ebenfalls nicht so detailliert wie die
Ausgangsfolie sein, klingt aber angenehm
und em otional.
I
D as scheint Gefallen zu fin den . D ie Press-
w erke kom m en kau m noch nach.
Stim m t, w ir schneiden viel V inyl, auch
aktuelle Sachen, zum Beispiel das letzte
Beck-Album, das von einem File entstand.
Es existieren allmählich nicht m ehr so viel
hochqualitative alte Sachen. Viele Schei-
b en w erden au ß erd em in kleinen A uf-
lagen von u n ter 3000 gepresst, sind also
schon daher Sammlerobjekte. Ich habe die
Jim m y H endrix-A lben gem acht. Die lie-
fen in 3000er-Auflage. Für m ehr braucht’s
sch o n spezielle Sachen wie die aktuelle
Beatles-Box m it 50.000 K opien weltweit.
O der Miles Davis’ „Kind of Blue“, von der
allein Classic R ecords angeblich 60.000
verkauft hat, was ich sogar glaube.
I
W ie seh r sc h ä tzt B ern ie G ru n dm an die
S ch a llp la tte a ls M u sik m ed iu m ?
Ich kenne V inyl ganz genau, b in ja dam it
g ro ß g ew o rd en . E ine echte Liebe, die
jedoch zuw eilen K opfschm erzen bereitet.
Vinyl k an n spektakulär, aber auch lausig
tönen: Schlechtes Pressen, m ieses Vinyl,
N ebengeräusche, all das nervt. U n d wir
m erken, dass die Q ualität, gelinde gesagt,
nicht besser w ird. M an kan n die Folie an
fü n f Pressw erke schicken, u n d alle P lat-
ten klingen anschließend unterschiedlich.
D ann versucht m an festzustellen, welches
d er Folie am dichtesten kam . N un, Ihr
seid aus D eutschland, u n d d o rt h abt Ihr
einige d er b esten Pressw erke w eltw eit.
Pallas etwa leistet hervorragende A rbeit.
V on dort bekam en w ir einige der h o ch -
w ertigsten Pressungen jem als. Sehr n ah
an den Vorlagen.
I
F reu t uns u n d d e c k t sich m it unseren
E rfah ru ngen bei den STER E O -LPs, d ie
P allas gepresst hat. A b er n ich t im m er ist’s
so einfach. G a b ’s m a l einen rich tig h ake-
ligen Fall?
E rinnert m ich bloß nicht! Sonny Rollins’
„N ew k’s T im e“ w ar eine besondere H e-
rau sfo rd e ru n g . N ie m a n d k o n n te ein
Reissue m achen, weil es kein gutes Band
gab. Ich erh ielt zw ar eine T ape-K opie
sow ie den A uftrag für H o ch b it-F i-
les. D och der linke K anal w urde dau-
ernd dum pf, kam dan n zurück und
verschw and w ieder - das Band war
u n b rauchbar! Es gab im Laufe d er
Jahre d rei C D -F assungen, die m ir
Vorlagen. So b esaß ich d rei u n te r-
schiedliche M asterings, aber keines
davon klang w ie das Tape, das ich
hatte. So b in ich das Band in kleinen
S chritten durchgegangen, was ru n d
20 S tu n d en dau erte, u n d h abe die
C D zurückgem ischt, bis sie wie das
Band klang. D ann habe ich B andstü-
cke d er gu ten Passagen hergestellt
u n d so eingesetzt, dass d er H ö re r
die Ü bergänge n ich t bem erkt. A m
E nde hat m an n u n ein Tape, das zu
ru n d 70 Prozent original ist. U nd das
Ergebnis klingt w irklich gut. H ab’ ich
natürlich vor allem deshalb gem acht,
weil S onny Rollins m ein L ieblingstenor-
saxofonist ist (lacht).
I Ich b in w ieder zu H ause, lasse m eine
T age an d er W estk ü ste in G ed an k en
Revue passieren u n d lege beiläufig einen
W indham Hill-Sampler aus dem Jahr 1986
auf. Viele K ünstler des „New Age“-Labels
stam m ten v o n d er W est Coast. M ir ist
der eine oder andere N am e entfallen, und
ich schaue ins Booklet. W as sehen m eine
noch vom Jetlag getrübten A ugen unter
den Credits: „M astering by Bernie G rund-
m an, H ollyw ood C A “.
M a tth ia s B ö d e
Im nächsten Heft:
Wir fahren zum nächsten der „Big
Three", Doug Sax. Er ist Altmeister und
war Trendsetter der Mastering-Cracks
7/2014 STEREO 63
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